Lara Mia: Urteil wegen verhungertem Baby aufgehoben

Lara Mia: Urteil wegen verhungertem Baby aufgehoben

24. Mai 2011 Aus Von Steffi

UPDATE 17.28 Uhr: Der BGH hat das Urteil des LG Hamburg aufgehoben und den Fall zur Neuverhandlung zurückverwiesen. Weitere Anmerkungen siehe unten. Originalmeldung: Der Bundesgerichtshof befasst sich heute mit einem Urteil des Landgerichts Hamburg, das im Sommer vergangenen Jahres gegen die jungen Eltern der erst neun Monate alten Lara Mia ergangen war. Die nun 20jährige Mutter und ihr drei Jahre alter Lebensgefährte hatten das Mädchen in ihrer Wohnung in Wilhelmsburg verhungern lassen – das ungewöhnlich milde Urteil des LG Hamburg löste einen Sturm der Entrüstung aus. Die Staatsanwaltschaft legte Revision gegen das Urteil ein – heute findet vor dem 5. Strafsenat des BGH in Leipzig die Revisionsverhandlung statt.

Über Monate hinweg wurde Lara Mia nicht ausreichend ernährt: als sie starb, wog sie noch 4,8 Kilogramm. Ein Säugling wiegt mit 9 Monaten im Regelfall neun bis zehn Kilogramm. Erschütternd ist die Tatsache, dass nicht nur die Eltern völlig in ihrer Rolle, sondern auch die sozialpädagogische Betreuerin in einer besonders desaströsen Weise versagten: nur wenige Tage vor Lara Mias Tod war die Betreuerin in der Wohnung der Eltern. Sie stellte die drastische Gewichtsabnahme des Mädchens in Wilhelmsburg sogar fest, unternahm aber nichts. Gegen sie erging in einem getrennten Verfahren ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen, der sie zur Zahlung von 90 Tagessätzen à 30 Euro verurteilte.
Auffallend gering fiel auch die Schuldzuweisung gegenüber den Eltern aus: da die Mutter und ihr Lebensgefährte den Notarzt alarmierten, als Lara Mia starb und bei Eintreffen Reanimationsmaßnahmen eingeleitet hatten, konnte sich das Landgericht Hamburg nicht dazu durchringen, dem Anklagepunkt des Totschlags durch Unterlassen stattzugeben. Lara Mias Mutter wurde wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen, der gefährlichen Körperverletzung sowie der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt und blieb damit unter der Forderung des Staatsanwaltes nach einer Freiheitsstrafe von 2,5 Jahren, weil die Rechtsmedizin keinen plötzlichen Kindstod als Todesursache ausschließen konnte. Der Lebensgefährte wurde zu neun Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.

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Das Urteil löste bundesweit Entrüstung aus. Die Deutsche Kinderhilfe und selbst der Bund Deutscher Kriminalbeamter bezeichneten das Urteil als viel zu milde, die Staatsanwaltschaft legte beim Bundesgerichtshof einen Antrag auf Revision vor.

UPDATE: Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des LG Hamburg als rechtsfehlerhaft bezeichnet. Der Vorsitzende Richter Clemens Basdorf stellte fest, dass Beweise nicht ausreichend gewürdigt worden waren und überwies den Fall zurück an eine andere Kammer. Er machte zudem deutlich, dass bei einem neuen Verfahren deutlich weniger milde Strafen zu erwarten seien, da eine ganze Reihe anderer Straftatbestände in Betracht kämen – der Vorsitzende Richter sah sogar schwache Anzeichen für einen Mord. Er stellte zudem fest, dass das Jugendstrafrecht auf den 23jährigen Partner von Lara Mias Mutter nicht erneut angewendet werden konnte: “Als der Fall richtig dramatisch wurde, da war er längst erwachsen.” Den ausgelösten Notarzt-Einsatz betrachtete das Gericht als sogenannten Rücktritt von einem Totschlag: zum Zeitpunkt der Alarmierung sei das Mädchen bereits mehrere Stunden erkennbar tot gewesen.
Wann der Prozess neu aufgerollt wird, ist noch nicht bekannt.